Zum Inhalt springen

Gregor Samsa (aus Franz Kafkas Erzählung „Die Verwandlung“) trifft Franz Woyzeck (aus Georg Büchners Dramenfragment „Woyzeck“)

Was würde eigentlich geschehen, wenn Franz Kafkas Figur Gregor Samsa aus seiner Erzählung "Die Verwandlung" (1912) auf Georg Büchners Figur Franz Woyzeck aus seinem Dramenfragment "Woyzeck" (1837) träfe? Worüber würden sich diese vom Schicksal gebeutelten Antihelden unterhalten, welche Sorgen und Nöte würden sie teilen, könnten sie einander Mut zusprechen oder hätten sie so gar kein Verständnis und Mitleid für das Leid des Gegenübers? Diese Frage stellte sich unser Deutsch-Leisungskurs. Die Ergebnisse lesen Sie im Folgenden. Viel Vergnügen!

1. Woyzeck und Andres sind zusammen im Wald, um dort zu campen. Andres ist Woyzecks einziger Freund. Sie suchen nach einem geeigneten Übernachtungsplatz, diesen findet Woyzeck schließlich. Es ist eine hell erleuchtete Lichtung tief im Wald. Woyzeck geht los, um Brennholz für die Feuerstelle zu suchen, währenddessen stellt Andres die Zelte auf und bereitet die Feuerstelle vor. Die Suche nach Brennholz stellt Woyzeck vor eine schwierige Aufgabe, da es erst kurz vor ihrem Eintreffen im Wald, geregnet hat. Er findet einen geeigneten Stamm und hebt ihn hoch, darunter befindet sich jedoch das Abscheulichste was er jemals gesehen hat. Es ist ein gigantischer Käfer. Woyzeck erschreckte sich so sehr, dass er rückwärts auf einem morschen Stamm ausrutscht, hinfällt und sich den Kopf stößt.

Woyzeck wird schwarz vor Augen. Die Kreatur beginnt zu sprechen und Woyzeck kann seinen Ohren nicht trauen: Er hörte eine sanfte und beruhigende Stimme zu sich sprechen. „Tut mir leid, Fremder, ich bin es gewohnt, dass Leute bei meinem Anblick in Ohnmacht fallen. Hoffentlich hast du dir nichts getan.“ Woyzeck kann wieder etwas sehen und erkennt den Käfer. Er ist verwundert, dass dieses Wesen zu ihm gesprochen hat. Er nimmt all seinen Mut zusammen und beginnt mit der Kreatur zu sprechen. ,,Was bist du und warum kannst du reden?“ Der Käfer spricht:  ,,Ich bin ein Mensch - zumindest war ich es. Ich wachte eines Morgens auf und fühlte mich anders als sonst, jedoch konnte ich kaum realisieren, was mit mir passiert war, denn vor der Tür standen schon mein Vater, meine Mutter und der Prokurist…“ Woyzeck unterbricht ihn : ,,Wenn du also ein Mensch bist, hast du auch einen Namen?“ „Ja, mein Name ist Gregor Samsa“ entgegnet die Kreatur. „Und wie heißt du?“ Woyzeck antwortet : „Mein Name ist Franz Woyzeck! Gregor was machst du denn hier alleine im Wald, wo ist deine Familie?“ Gregor Samsa antwortet zögerlich : „Sie…sie wollen mich nicht mehr bei sich haben. Ich kann so wie ich aussehe nicht mehr arbeiten, obwohl meine Familie so sehr auf das Geld was ich verdiene angewiesen ist, da mein Vater arbeitslos ist. Die Hausgäste und sogar meine eigene Mutter ekeln sich so sehr vor mir, dass sie es kaum in meiner Nähe aushalten, obwohl ich doch nicht einmal mit ihnen in einem Raum bin. Daher habe ich mich entschlossen in diesen Wald zu flüchten, um mich wieder frei zu fühlen. Aber Woyzeck wieso bist du überhaupt hier?“ Woyzeck antwortet rasch: „Ich bin hier, weil ich Brennholz gesucht habe, mein Kamerad Andres und ich campen hier im Wald. Ich habe ihm einiges zu erzählen, denn mein Leben zerbricht immer mehr.“ Gregor fragt unsicher nach dem Grund für seine jetzige Situation. Woyzeck antwortet: „Meine Freundin Marie, die ich über alles liebe, betrügt mich mit meinem größten Feind. Ich opfere alles, wirklich alles, meine körperliche und… geistige Gesundheit,  um sie und unseren Sohn zu versorgen, ja, für die beiden würde ich alles tun. Ich muss stets allen gehorchen und bekomme nur sehr wenig Sold was kaum zum Leben reicht. Mein einziger Freund, der mir hilft und mich akzeptiert ist Andres.“

Gregor Samsa und Woyzeck reden noch bis tief in die Nacht, irgendwann schlafen beide ein. Woyzeck hat seine Probleme und seinen wartenden Kameraden völlig vergessen, genauso ergeht es Gregor, dessen Handeln zum ersten Mal nicht völlig von seinen Problemen um seine Familie bestimmt wird. Plötzlich hört Woyzeck eine Stimme rufen :  „Woyzeck, Woyzeck, wo bist du ?!“  Die Stimme kommt ihm bekannt vor, es ist Andres. Woyzeck antwortet:  „Hier bin ich Andres, hier bei meinem neuen Freund Gregor!“ Andres rennt zu Woyzeck und findet ihn auf dem Boden, vor ihm liegt ein Baumstamm. „Woyzeck, was ist mit dir passiert, ich hab dich gesucht und wo soll dein Freund sein Woyzeck?“ fragt Andres. Daraufhin antworte Woyzeck: „Direkt neben mir, stimmt’s Gregor? … Gregor?!“  Andres sagt: „Woyzeck ich sag’s dir, da ist niemand, du hast eine Gehirnerschütterung, komm ich bringe dich zum Doktor!“  ,,Andres, wenn ich es dir doch sage, ich habe mich die ganze Nacht mit einem riesigen Käfer unterhalten und sein Name war Gregor Samsa!“ „Woyzeck, das hast du dir eingebildet, es wird alles wieder gut. Versprochen. Jetzt komm erst einmal mit mir zum Doktor“. Die beiden verlassen den Wald in Richtung Stadt. Woyzeck wird das Gefühl nicht los, dass ihm etwas Schlechtes widerfahren wird, wenn er jetzt zurück in Stadt geht, doch Andres lässt nicht locker und zerrt ihn zurück zum Doktor, zum Hauptmann,  zu seiner Familie.

 

2. Gregor: Woyzeck alter Freund, was treibt dich denn hierher? 

Woyzeck: Ich musste mal entfliehen, aus dem Alptraum, der sich mein Leben nennt. 

Gregor: Das kenn‘ ich nur zu gut, seit Wochen lebe ich nun in der Gestalt eines Käfers und bis auf dich behandeln mich auch alle anderen Menschen wie Ungeziefer.

Woyzeck: Ach fang mir bloß nicht so an, ich werde doch genauso behandelt und außerdem hab ich den Verdacht, dass sich meine Frau mit dem Tambourmajor hinter meinem Rücken vergnügt.

Gregor: Oh je, wir haben echt kein leichtes Leben, wir zwei, jedes Mal wenn wir uns begegnen, werden die Geschichten nur schlimmer und schlimmer. Wir sind nicht geschaffen für diese Welt. 

Woyzeck: Ich befürchte, du hast recht. Tag ein, Tag aus, ich quäle mich durch mein Leben und es muss sich endlich etwas ändern und genau das wird es jetzt auch! 

Gregor: Ach, wenn das bloß so einfach wäre, ich leide jeden Tag Angst, dass mich meine Familie nun auch nicht mehr bei sich haben will, jetzt da ich nicht mehr arbeiten kann. 

Woyzeck: Fang bloß nicht an, über die Arbeit zu reden, noch eine Sache, die ich überhaupt nicht mag! 

Gregor: Vielleicht sollten wir unsere erbärmlichen Leben nicht miteinander vergleichen, sondern darüber glücklich sein, dass es uns nicht schlimmer getroffen hat als es jetzt ist. Ich hätte zertrampelt werden können und du hättest vielleicht gar keine Arbeit und könntest deine Familie nicht mehr ernähren! Also sei froh, um das was du hast, denn es könnte schlimmer kommen.

Woyzeck: Ach Gregor, ich wünschte ich könnte so leicht damit umgehen, aber es fällt mir von Tag zu Tag schwerer mich zu beherrschen, alle halten mich für nichtsnutzig und dumm. 

Gregor: Und mich verstehe die Leute gar nicht, wenn ich rede,  aufgrund meiner Verwandlung, also hör auf zu meckern und ändere dein Leben.  Du musst es tun. Niemand sonst.

Woyzeck: Genau das werde ich tun. Danke Gregor, du warst mir eine Hilfe, mit dir kann ich reden! 

Gregor: Keine Ursache. 

Am selben Abend tötet Woyzeck Marie.

 

3. Dialog zwischen Gregor Samsa und Woyzeck:

Gregor Samsa: „Ach, war das ein anstrengender Tag… (trifft auf Woyzeck)… Guten Abend, mein Herr, was ein schöner Anblick, diese Abendsonne, finden Sie nicht?“

Woyzeck (verwundert): „Meinen Sie mich?“

Samsa: „Natürlich meine ich Sie… Samsa, Gregor Samsa mein Name. Sie sehen ziemlich erschöpft aus, Herr…?“

Woyzeck: „…Woyzeck . Nun ja, das bin ich auch, um ehrlich zu sein. Jedoch sollte ich mich deshalb nicht beklagen, ich muss doch das Geld verdienen, um meiner lieben Marie und meinem kleinen Sohn ein gutes Leben zu ermöglichen, denn dies schulde ich ihnen einfach.“

Samsa: „Sie müssen Ihre Familie wohl sehr lieben… Ich… als ewiger Junggeselle… Sehen Sie mich an. Ich wohne immer noch bei meinen Eltern, aber sie sind ja auch auf mich angewiesen.“ 

Woyzeck (aufgelöst): „ Es tut mir sehr leid, wenn ich Sie unterbreche, aber ich muss fort, der Hauptmann erwartet mich sicherlich schon…“

Samsa (überlegend): „Ach du meine Güte, haben Sie völlig den Verstand verloren? Jetzt noch arbeiten, und zwar in diesem Zustand? Setzen Sie sich einmal hin und ruhen Sie sich aus. Sie sehen völlig fertig aus, haben keine anständige Farbe im Gesicht. Essen Sie überhaupt noch richtig? Sie wirken ziemlich unter Druck, Herr Woyzeck… und dies bin ich auch, wenn ich recht ehrlich sein muss. In Wahrheit haben wir wohl mehr gemeinsam, als ich dachte.“

Woyzeck: „Finden Sie?“ 

Samsa: „Sehr wohl. Wir beide sind in Wirklichkeit zwei einsame Männer, die so sehr von ihren ganzen Pflichten und Erwartungen unterdrückt werden, dass sie keine Möglichkeit haben, sich aus dieser Zwickmühle zu befreien und ihre eigenen Wege zu gehen. Es wird einfach viel zu viel von uns erwartet… Manchmal überlege ich mir, einfach alles fallen zu lassen, was denken Sie, Woyzeck?“

Woyzeck: „Ich denke… aber was wäre, wenn sie alles fallen lassen und dabei selber mit untergehen?“

Samsa: „ Ich wünschte, ich könnte Ihnen eine Antwort darauf geben.“

 

4. Woyzeck und Gregor Samsa sind in einer Selbsthilfegruppe.

Leiterin: Guten Tag. Ich bin Frau Hefe. Willkommen in der Selbsthilfegruppe für Bürger, die Probleme im Leben haben. Es ist schön, dass sie sich alle überwinden konnten, hierher zu kommen. Wer von Ihnen würde sich denn gerne zuerst vorstellen?

Woyzeck: Ich… mein Name ist Woyzeck und ich habe Beziehungsprobleme. Meine Frau Marie und ich waren früher sehr glücklich, doch da ich einen niedrigen Stand habe, habe ich das Gefühl, dass sie mich nicht mehr akzeptiert, geschweige denn liebt. Ich bin ihr einfach nicht mehr wichtig. Das Einzige, was sie noch interessiert, ist Ansehen, und das Geld.

Gregor: Ich verstehe dich Woyzeck. Ich bin Gregor und ich habe das Gefühl, dass mein Vater mich nur liebt, weil wir in Schulden leben und nur ich arbeiten gehen kann, um Geld zu verdienen. Doch das Problem ist: Ich hasse meine Arbeit. Ich habe das Gefühl, dass ich dort auch nicht richtig akzeptiert werde.

Woyzeck: Du wirst wenigstens nicht so behandelt als wärst du ein Ungeziefer:

Gregor: Dann musst du mich doch mal etwas genauer ansehen...

Woyzeck: Oh… Aber… Wie sieht es denn mit deinem Liebesleben aus?

Gregor: Ich habe so etwas wie ein Liebesleben nicht, da ich zu sehr auf meine Arbeit fokussiert bin. Ich habe doch meiner Familie gegenüber eine Verpflichtung. Sie müssen immer zuerst kommen.

Woyzeck: Sei glücklich, dass du keine Beziehung hast. Denn es bringt dir nichts. Nehmen wir mich als Beispiel. Ich habe mich vor einigen Jahren in Marie verliebt und alles schien gut zu laufen. Doch dann wurde unser Geld knapp und ich musste immer mehr arbeiten, für den Hauptmann, den Doktor. Dort hält mich jeder für dumm, doch ich bin einfach nur zu schüchtern, um denen meine Meinung zu sagen.

Gregor: Ich kann das sehr gut nachvollziehen, Woyzeck, mir geht es oft auch so auf der Arbeit oder bei meiner Familie.

(Ding Ding Ding) Das Handy von Woyzeck klingelt.

Woyzeck: Ja? Ok, ich komme. Ich muss los. Tut mir leid dass ich nicht bis zum Ende bleiben kann. Doch ich habe gerade erfahren, dass mein Messer im Laden angekommen ist. Gregor, wir sehen uns sicher bald wieder. Aber probiere doch mal die Erbsendiät vom Doktor aus, vielleicht tut sie dir ja auch gut… und hilft dir bei der Bewältigung deiner Probleme.

 

5. Woyzeck:       Ach Gregor, manchmal wünschte ich, mir wäre das widerfahren, was dir geschehen ist!

Gregor:               Wieso wünschst du dir so etwas Schreckliches? Es ist nicht schön, von anderen wie ein Ungeziefer gesehen zu werden und nicht als Persönlichkeit.

Woyzeck:            Auch wenn ich mich äußerlich nicht in einen Käfer verwandelt habe so wie du, habe ich das Gefühl, dass mich trotzdem niemand als Mensch wahrnimmt. Alle denken ich wäre dumm, machen sich über mich lustig und denken, ich verstehe es nicht…

Gregor:                Aber du als Mensch, du kannst dich doch aktiv dagegen wehren. Ich als Käfer hingegen habe keine Chance.

Woyzeck:            Ich kann mich nicht wehren,  nicht ohne alles nur noch mehr zu verschlimmern. Wenn ich etwas sagen würde, würden sie sich nur noch mehr darüber amüsieren, mich als verrückt darstellen. Ich frage mich, warum dir so etwas zugestoßen ist und nicht mir. Bei mir wäre diese Art von Verachtung nur gerecht, ich erlebe sie ja so oder so. Nur würde den Herren dann der Mann für alles fehlen, den sie herumscheuchen können und das würde mich sehr freuen.

Gregor:               Oh, wie gerne wäre ich wieder ein Mensch.

 

6. Woyzeck steht im Wald am Stadtrand und hackt Holz, als ihn plötzlich ein Käfer auf einem Baumstamm mit großen Augen anguckt.

Woyzeck:  Hallo, wer bist du denn?

Gregor: Ich bin Gregor Samsa.

Woyzeck: Der Käfer kann ja sprechen. Ist bestimmt wieder eine Nebenwirkungen der Erbsendiät.

Gregor: Nein, das ist keine Nebenwirkung. Ich bin eines Morgens aufgewacht und war ein Käfer.

Woyzeck: Jetzt bin ich nicht mehr so alleine und ich habe jemanden, der mir zuhört. Du musst wissen, meine Frau hat nur noch Interesse an diesen Tambourmajor und keine Zeit mehr für mich. Es ist wirklich schön, dass ich dich getroffen habe, Gregor.

Gregor: Du kannst dich deiner Familie wenigstens zeigen. Wenn meine Familie mich so sieht, dann sind sie immer am Boden zerstört. Ich kann schließlich als Käfer meinem Beruf als Reisender nicht mehr nachgehen und deshalb kann ich die Schulden meiner Familie nicht mehr begleichen.

Woyzeck: Als Käfer kann man sehr wohl reisen. Du hast doch bestimmt Flügel, die dich überall hinbringen. Manchmal wünschte ich, ich hätte Flügel. Ich kann hier nicht so einfach weg, ich muss, um meine Familie irgendwie zu ernähren, eine Erbsendiät beim Doktor machen. Mein Lohn reicht einfach nicht für eine Frau wie Marie und unser Kind.

Gregor: Ein Käfer kann nicht arbeiten. Wenn ich so zu meinem Chef gehe, bin ich meinen Job schneller los als du Erbsendiät sagen kannst. Ich sehe meine Familie schon vor mir, die enttäuschten Gesichter.

Woyzeck: Du hast wenigstens eine Familie, Marie aber geht mir fremd, ich weiß es. Ich habe einfach nichts, was ihren Ansprüchen gerecht wird. Aber... Ich höre ihn rufen… Ich muss gehen, der Hauptmann.

Gregor: Tschüss, Woyzeck.

 

7. Gregor Samsa:             Guten Tag, Woyzeck. Es ist lange her, dass wir uns gesehen haben.

Woyzeck:                          Entschuldigen sie mich. Ich sehe wieder Dinge, die ich nicht sehen sollte. Bilde ich mir Sie auch nur ein?

Gregor Samsa:                 Nein, aber erkennst du mich wirklich nicht? Das sind keine Halluzinationen.  Ich bin es, Woyzeck, Gregor Samsa! Ich bin keine Einbildung, das hier ist die Realität.

Woyzeck:                          Bleib weg von mir! Ich habe schon genug schlimme Gedanken wegen Marie und diesen Unterdrückungen. Die Experimente des Doktors machen mich noch verrückt. Nur wegen des Geldes. Diese Experimente, sie rauben meinen Verstand. Erst tue ich schreckliche Dinge, bin ein schrecklicher Mensch, ein schrecklicher und nun sehe ich große Käfer, die sprechen können.

Gregor Samsa:                 WOYZECK, reiß‘ dich zusammen. Du bist nicht der einzige Mensch, der Probleme hat. Sieh dir mich an. Ich bin ein hässlicher Käfer und leide wegen meiner Familie auch unter Geldprobleme.

Woyzeck: Ich will nicht mit einem Käfer reden. Ich halte das nicht aus. Wieso ein Käfer??

Gregor Samsa: Beschwere dich nicht. Du steckst zum Glück nicht in meinem Panzer. Stell‘ dir vor, du steckst in einem Panzer, musst deine Familie versorgen, leidest mit der Familie, hast stetige Angst ausgestoßen zu werden und musst tagtäglich im Zimmer hocken, weil du doch zu nichts mehr taugst.

Woyzeck: Ich halte das nicht mehr aus. Immerzu...  Halt‘ dich von mir fern. Folge mir nicht.

Gregor Samsa: Bitte lauf nicht weg. WOYZECK!

 

8. *Woyzeck rempelt Gregor Samsa auf der Straße an*

Samsa:                 He, pass‘ doch auf, wo du hingehst!

Woyzeck:            Ich bitte um Verzeihung, Herr… ähm…

Samsa:                 Gregor Samsa ist mein Name!

Woyzeck:            Oh, äh, Verzeihung, Herr Samsa, ich wollte ihnen keinerlei Böses.

Samsa:                 Schon in Ordnung, es mag jedem Mal passieren. Wie lautet denn ihr Name?

Woyzeck:            *salutiert* Woyzeck, der Herr!

Samsa:                 Hallo, ich sehe sie sind in Uniform unterwegs. Gehören sie einer Armee an?

Woyzeck:            Ja, das tue ich und da bin ich stolz drauf… denke ich.

Samsa:                 Das war aber nicht sehr überzeugend.

Woyzeck:            Verzeihung, ich versuche es direkt nochmals.

                              *laut* Jawohl, ich gehöre einer Armee an und da bin ich stolz… bin ich da drauf.

Samsa:                 Ich habe es eigentlich gar nicht von ihnen verlangt, dass sie es wiederholen.

Woyzeck:            Darf ich auch fragen, was sie in ihrem Käferdasein so erledigen?

Samsa:                 Sie müssen wissen, ich habe eigentlich einen ganz normalen Beruf als Reisender, wo ich mit meiner Kollektion umherreise und sie Kunden vorstelle. Ich bange im Moment aber um den Beruf, da ich nicht weiß wie ich              ihn ausüben soll.

Woyzeck:            Ich bin mir sicher, dass sie eine Möglichkeit finden, diesen Job weiterhin               auszuüben, sogar ich schaffe es täglich als Soldat zu dienen, trotz allerlei Experimenten an denen ich teilnehme. Nebenbei gefragt, wissen sie eigentlich wie viel Uhr es ist?

Samsa:                 Als ich zuletzt auf eine Uhr schaute war es 18:00 Uhr.

Woyzeck:            Ach du heiliger Strohsack, ich bin mit großer Wahrscheinlichkeit zu spät für ein         Treffen mit dem Doktor. Tschüss.

Samsa:                 Auf Wiedersehen, Woyzeck.

 

9. Die Szene findet an einer Stelle in der Mitte der beiden Geschichten statt, man ist am Bahnhof. Obwohl Gregor bereits verwandelt ist, besteht für ihn noch die Möglichkeit zu reisen.

Gregor: Es ist furchtbar. Alle behandeln mich nur noch wie Ungeziefer.

Woyzeck: Glaub mir, ich kenne dieses Gefühl.

Gregor: Bestimmt nicht so gut wie ich. Ich versuche es ihnen allen Recht zu machen. Ich verstecke mich, wenn sie mich nicht sehen wollen und ich versuche alles so ordentlich zu halten und so wenig Aufwand zu verursachen, wie es eben nur möglich ist. Und trotzdem ekelt sich meine Familie vor mir und ich werde in mein Zimmer gesperrt.

Woyzeck: Oh, das kann ich mir nur zu gut vorstellen. Ich habe mich dafür entschieden, für meine Freundin Marie zu sorgen und unser Kind aufzunehmen. Trotzdem hält sie nicht zu mir, sondern betrügt mich mit einem anderen Mann.

Gregor: Das ist ja schrecklich, du hast Recht. Bei mir ist es ja ähnlich. Ich habe jahrelang den Lebensunterhalt für meine gesamte Familie verdient, damit meine Schwester nicht arbeiten gehen muss und meine Eltern beruhigt in Rente gehen können. Dadurch, dass ich immer als Reisender gearbeitet habe, obwohl ich immer gestresst war, konnten meine Eltern ihre Schulden abbezahlen und wir konnten uns die große Wohnung leisten. Und jetzt, wo ich ein Käfer bin, scheinen sie das alles vergessen zu haben.

Woyzeck: Auch diese Situation kommt mir bekannt vor. Ich bin nur ein einfacher Soldat und muss immer die niedrigsten Arbeiten für meinen Hauptmann erledigen und ich lasse den Arzt sogar mit mir experimentieren, damit ich wenigstens das nötigste Geld für meine Familie verdiene.

Gregor: Ich merke schon, wir sind uns ähnlicher, als ich zuerst dachte.

Woyzeck: Ja das ist mir auch schon aufgefallen.

Gregor: Das ist mein Zug. Ich muss weiter, ich wünsche dir, dass du es doch noch schaffst aufzusteigen, damit deine Freundin dich wieder respektiert und du besser für deine Familie sorgen kannst.

 

10. Zeitlich lässt sich dieser Dialog kurz vor Ende beider Werke einordnen, also kurz bevor Marie umgebracht wird bzw. kurz vor Samsas Tod.

Samsa: Oh, guten Tag, Herr Woyzeck, was machen Sie denn hier?

Woyzeck: Na ja, ich gehe gerade zum Hauptmann, ich muss noch einiges für ihn erledigen. Da fällt mir ein, ich muss Marie ja noch meinen Lohn bringen und anschließend auch noch zum Doktor, das hatte ich total vergessen.

Samsa: Ach, das klingt ja echt stressig, du hetzt dich ja immer nur ab. Das kenne ich ziemlich gut. Jahrelang habe ich mich für meine Familie aufgeopfert. Ich habe so viel gearbeitet, um ihre Schulden zu bezahlen, hatte keine sozialen Kontakte, und nun, weil ich mich ein wenig verändert habe, meiden und verstoßen sie mich. Was ist denn so schlimm daran, an der Wand und der Decke herumzukrabbeln!? Selbst meine Schwester, die sich anfangs sogar noch um mich kümmerte und sich um mich sorgte, wendet sich langsam von mir ab und sieht mich auch als Ungeziefer. Das ist wirklich deprimierend. Mein autoritärer Vater hat mich sogar, wenn auch unbeabsichtigt, schwer verletzt.

Woyzeck: Oh, stimmt, sie haben sich ja total verändert, das ist mir vor lauter Stress wohl entgangen.

Samsa:  Sie müssen ja einiges um die Ohren haben. Wie schaut´s denn bei Ihnen so aus?

Woyzeck: Auch nicht so gut, Marie liebäugelt schon seit längerem, hinter meinem Rücken, mit diesem Tambour Major. Ich tue alles für sie, will es jedem recht machen und bin dennoch für jeden hier eine Witzfigur.

Samsa: Am besten sollte man wohl einfach nur dasitzen und darauf warten, dass der Tod einen holen kommt.

Woyzeck: Na ja, später, noch nicht, ich muss jetzt erst noch ein schönes Messer besorgen, ich treffe mich ja nachher noch mit Marie.

Samsa: Ein Messer? Naja, gut, ich ziehe mich dann auch mal wieder in mein Zimmer zurück , bald wird es eh vorbei sein .

Woyzeck: Ich bin spät dran. Wiedersehen Herr Samsa .

Samsa (flüstert):Wohl eher nicht, Woyzeck. Wohl eher nicht…

 

11. G: Hallo Woyzeck! Wir haben uns ja lange nicht mehr gesehen. Wie geht es dir?

W: Hallo Gregor! Huch… was ist denn mit dir passiert? Also mir geht es ganz gut – im Gegensatz zu dir:

G: Ich bin vor einiger Zeit so aufgewacht… Ich weiß auch nicht genau, wie das passiert ist.

W: Das ist ja schrecklich... und was machst du jetzt mit deinem Job? Und was hat deine Familie dazu gesagt?

G: Naja… meinen Job habe ich am selben Tag noch verloren und meine Familie ist auch weg. Am Anfang haben sie sich noch ein wenig um mich gekümmert, aber dann haben sie mich verlassen…

W: Das muss wirklich schlimm für dich sein.

G: Ich weiß auch nicht mehr weiter… und…  wie geht es deiner Frau?

W: Wie soll ich es nur sagen? Sie… ist tot.

G: Oh, mein Beileid. Das tut mir wirklich leid.

W: Ich habe sie umgebracht. Ich hatte das Gefühl, dass sie mich betrügt und habe keinen anderen Ausweg gesehen.

G: Betrogen?!? Mit wem?

W: Mit dem Tambourmajor.

G: Du musst wirklich sehr verzweifelt gewesen sein, dass du so gehandelt hast. Das kann ich gerade gut verstehen.

W: Dass zwei einfache Männer wie wir so ein Schicksal erleiden müssen, das ist echt schlimm.

G: Da hast du Recht Woyzeck. Danke, dass du immer für mich da bist.

 

12. Der Dialog spielt nach Woyzecks Mord an Marie.

G: Woyzeck!?

W: Entschuldigung? Kennen wir uns etwa? Ich wüsste nicht, warum ich jetzt schon Tiere sehe, die reden können.

G: Woyzeck, erkennst du meine Stimme nicht wieder? Es ist schon eine Weile her, als wir uns das letzte Mal begegnet sind.

W: Wie bitte? Ich glaube, dass wir uns gerade missverstehen.

G:Ich bin es, Samsa. Gregor Samsa!

W: Ich erinnere mich. Trotzdem frage ich mich, ob ich wieder unter der Erbsendiät leide, oder ob ich nun wirklich vor mir ein Ungeziefer habe, das mit mir redet. Der Doktor wird sich sicher freuen.

G: Beruhige dich erst, Woyzeck! Es liegt nicht an dir. Ich bin nur… verwandelt. Es war ein ganz gewöhnlicher Morgen, als ich wieder aufstehen wollte, um mich für die Arbeit fertig zu machen, aber …

W:  Aber …?

G:  Sieh‘ mich doch nur an Woyzeck! Ich bin ein verfluchtes Ungeziefer, ein dreckiger Käfer!

W: Wie ist das passiert, Gregor ? Ich meine… du musst doch irgendetwas getan haben, etwas falsch gemacht haben!?

G: Scheinbar schon, doch weiß ich nicht wieso es zu dieser Verwandlung kam. Ich bin am Ende mit meinen Nerven und meine Familie setzt mich dabei auch noch unter Druck. Woyzeck, ich weiß nicht mehr weiter , kannst du mir nicht helfen?

W:Ich wüsste nicht wie. Was soll denn mit deiner Familie sein?

G: Ich weiß es nicht, die Beziehung zu meiner Familie wird wegen meiner Arbeit immer schlechter. Ich bin nur noch unterwegs und verbringe meine restliche Zeit nicht wirklich mit meiner Familie. Mein Gefühl sagt mir, dass meine Familie in mir nur ein Mittel zum Zweck sieht und ich nur dazu diene, Geld für die Familie einzubringen. Ich werde nur noch unterdrückt, von allen, jeder sieht in mir nur noch… also wenigstens keinen Menschen mehr, vielmehr das Gespött der Gesellschaft. Was soll ich nur tun, Woyzeck?

W: Hast du dir schon mal überlegt, deine Familie zu verlassen? Sie nutzen dich aus, Gregor ?! Siehst du das denn nicht?

G: Ich kann sie nicht alleine lassen Woyzeck! Sie brauchen mich und sind auf mich angewiesen!

W: Gerade deswegen Gregor. Sie nutzen dich schamlos aus.

G: Ist es denn bei dir anders? Ich habe wenigstens meine Schwester, die einzige Hilfe für mich, wenigstens etwas. Ich kann aber nicht mehr arbeiten gehen und liege nur noch in meinem Bett vor Verzweiflung. Meine Familie fühlt sich von mir abgestoßen und alle Bemühungen, die Beziehung aufrecht zu erhalten scheitern, denn anstatt für sie das Geld zu verdienen, falle ich ihnen ständig  nur zur Last.

W: Gregor Samsa, jetzt will ich dir mal etwas mitteilen. Wie du dich vielleicht noch erinnern kannst, hatte auch ich eine Familie, die ich versorgen musste.

G: Wieso „hatte“ Woyzeck?

W: Ich, ich habe...

G: Woyzeck! Was ist passiert?

W: Ich bin auch der Gesellschaft zum Opfer gefallen. Erst werde ich vom Hauptmann und Doktor ausgenutzt und unterdrückt. Sie machen mich lächerlich und dabei verliere ich auch noch mein letztes bisschen Verstand und Marie jeglichen Respekt vor mir, den sie vielleicht irgendwann einmal vor mir hatte. Die Erbsendiät hinterließ eben Spuren, das wollte der Doktor ja wohl auch damit erreichen, sodass ich jetzt meinen Sohn ohne seine Mutter zurückgelassen habe. Marie, dieses Miststück,  hat mich betrogen und belogen. Dann habe ich mich eben einmal gewehrt, das hat sie nicht von mir erwartet. Alles was mir nun geblieben ist, ist mein Sohn, ansonsten habe ich alles verloren.

G: Nun musst du es mir endlich sagen, Franz, was mit dir und Marie ist?

W: Marie ist Geschichte, sie existiert nicht mehr. Ich habe sie umgebracht vor Wut und Hilflosigkeit. Ich habe mich mit ihr getroffen und sie zu einem See gelockt. Sie hat mich mit einem Tambourmajor betrogen und dachte, ich würde es wegen meiner gesundheitlichen Problemen nicht bemerken. Das alles war für mich das Ende. Es konnte so nicht weiter gehen!

G: Woyzeck , bitte nicht! Du hast nicht Marie deswegen umgebracht?!

W: Jawohl, Gregor. Ich habe es getan.

G: Wie konntest du nur, Woyzeck. Ich bin sprachlos. Jeder muss sich früher oder später für seine Taten verantworten und wird zur Rechenschaft gezogen. (leise zu sich selbst) Vielleicht ist mir das schon passiert…                            

                                                                               

13. Woyzeck hat Halluzinationen und stellt sich den verwandelten Gregor Samsa nur vor. Zeitlich spielt der Dialog nachdem Woyzeck Marie mit dem Tambourmajor tanzen gesehen hat.

Woyzeck: Diese Kopfschmerzen... Ich halte es nicht mehr lange so aus... Wie soll es nur weiter gehen?

Gregor Samsa: Was ist denn los?

Woyzeck:  Ein riesiger Käfer?!...(Woyzeck will weglaufen.)

Gregor Samsa: Lauf‘ nicht weg... Hab‘ keine Angst, ich tue dir nichts...

Woyzeck: Wer oder was bist du und warum kannst du sprechen?

Gregor Samsa: Ich war einst auch ein Mensch.... Habe mich verwandelt und wurde danach von meiner Familie verstoßen. Nun erzähl doch mal, was ist passiert?

Woyzeck: Also meine Frau habe ich soeben mit jemand anderem tanzen gesehen... obwohl ich für sie alles getan habe.

Gregor Samsa: Was meinst du mit "alles getan"?

Woyzeck: Ich lebe als einfacher Soldat und versuche damit Marie, das Kind und mich zu versorgen. Da dies nicht so einfach ist, bin ich auch noch ein Versuchskaninchen für den Doktor. Dieser bezahlt mich auch. Jedoch werde ich auch noch von allem herumkommandiert, als wäre ich dumm. Da ich soeben Marie mit dem Tambourmajor tanzen gesehen habe, habe ich keine Ahnung, was ich machen soll. Kannst du mir einen Rat geben?

Gregor Samsa: Ich war in einer ähnlichen Situation wie die, in der du jetzt bist. Ich habe meine Familie auch allein ernährt und habe alles getan, was ich konnte. Als ich mich aber in einen Käfer verwandelt habe, hat meine Familie mich verstoßen, trotz allem was ich für sie getan habe. Mein Rat an dich ist jetzt: Distanziere dich von deinem momentanen Umfeld, da du sehr krank aussiehst. Dem Kind und Marie wird es gut gehen, da sie ja den Tambourmajor haben. Versuche einen Neuanfang in einer anderen Stadt. Es wird zwar schwer, aber nicht unmöglich sein.

Woyzeck: Oder … ich töte … Marie ... ja … immerzu … immerzu … (Woyzeck läuft weg)

Gregor Samsa: Warte nein....

 

14. Gregor Samsa: Du bist es ja selbst schuld, das dich alle hassen! Es liegt doch sicherlich an deinem Verhalten. Sieh mich an, ich bin ein armer Kerl! Ich hatte einen guten Job, mit dem ich meine Familie versorgen konnte. Alles lief super, bis ich zu diesem Monster verwandelt wurde! Ich trage keine Schuld dafür, dass mich nun kaum noch jemand mag.

Woyzeck: Ach Quatsch! Alles Schlechte, was man jemals getan hat, kommt immer zurück. Und das ist deine Strafe! Du hast es so verdient. All deine schlechten Taten spiegeln sich in deiner Verwandlung in dieses Monster wieder! Ich hingegen werde ausgenutzt und hintergangen, nur weil ich ein zu gutes Herz habe und keine bösen Taten begangen habe.

Gregor Samsa: Ich habe nie schlechte Taten begangen. Ich habe einfach nur Pech, aber du könntest so ein schönes Leben haben, wenn du nicht so unfreundlich gegenüber anderen wärest.

Woyzeck: Dieses Gespräch hat keinen Sinn! Ich werde nicht weiter mit dir diskutieren!

 

15. Ein beschaulicher Ort, eine große Gaststätte, viele kleine Geschäfte und ein Markt. Auf der Straße vom Markt zu der Gaststätte begegnen sich zwei Personen, die sich offenbar zu kennen scheinen.

Gregor: „Woyzeck?“

Woyzeck reagiert nicht.

G: „Woyzeck, Woyzeck, bist du es?“

Woyzeck dreht sich erstaunt zu Gregor hin.

Woyzeck: „Gregor?“

G: „Ja Woyzeck, ich bin es. Wie lang ist es her?“

W: „Du hast dich aber verändert, siehst etwas kränklich aus, geht es dir auch wirklich gut?“

G: „Ach Woyzeck, was soll ich sagen. Es ist einfach eines Morgens passiert. Ich schlug meine Augen auf und war nur noch ein Ungeziefer. Ich dachte lang darüber nach. Auch meiner Familie war dies eine schwere Bürde. Ich war ja schließlich ihre stützende Säule. Obwohl in letzter Zeit die Blicke meiner Familie feindselig geworden waren. Meine Situation scheint sich nicht zu bessern. Vielleicht sollte ich mich damit abfinden.

W: „Wenn du das sagst, wird das schon stimmen. Aber auch um mich stehen die Dinge nicht sehr gut. Wie in deiner Situation werden auch meine Familie und ich von Geldnöten geplagt. Ich habe sogar eine Erbsendiät begonnen. Der Arzt versprach mir für die Mitthilfe bei seinem Experiment zusätzliches Geld. Ich konnte es mir einfach nicht leisten, sein Angebot abzulehnen. Zusehends werde ich von dem Gefühl der Eifersucht heimgesucht. Ich glaube, meine Frau ist mir untreu. Ständig, wenn sie glaubt ich würde es nicht sehen, läuft sie mit diesem Tambourmajor umher oder schwärmt unentwegt von ihm in ihrer einsamen Kammer.

G: „Das Leben ist vergänglich, guter Woyzeck. Du wirst schon jemand anderen finden.“

W: „Du hast vollkommen Recht. Jedoch werde ich dieser Sache mit Marie erst ein Ende setzen müssen.

G: „Du tust, was immer du tun musst, Woyzeck. Und lass‘ dich nicht immer unter Druck setzten. Ich selbst stehe unter hohem Druck. Lange wird es nicht mehr dauern bis die schwere Last mich erdrücken wird. Mein Ende wir schon bald kommen Woyzeck. Mein kaltes Grab wartet auf mich.

W: „Das Einzige, was wir wissen ist, dass die Zukunft ungewiss ist, Gregor.“

G: „Auf Wiedersehen Woyzeck.“

W: „Auf Wiedersehen Gregor.“

Sie setzen ihren Weg über die Straße fort.

16. Samsa trifft Woyzeck

Gregor: Oh, hallo Woyzeck!

Woyzeck: Hallo Gregor, Mensch was machst du denn hier?

G: Mensch? Naja. Ich brauchte mal eine Pause, das ganze Arbeiten ist schon anstrengend. Vor allem die Zugreisen.

W: Ja, das kann ich verstehen. Du scheinst es ja weit gebracht zu haben, wenn du so viele Dienstreisen unternimmst. Aber sag mal, gefällt dir deine Arbeit immer noch?

G: Natürlich! Die Reisen sind zwar oftmals lang, aber dennoch mag ich die Zugfahrten. Wie sieht es denn bei dir so aus? Wie geht es Marie und dem Kind?

W: Denen geht es gut. Sie müssen ja nicht arbeiten. Ein Soldat zu sein ist schon hart und dann muss ich auch noch so eine Erbsendiät machen, damit ich auch noch zusätzlich Geld verdiene. Das alles kann einen in den Wahnsinn treiben. Das Schlimmste ist aber, mein Vorgesetzter und der Doktor behandeln mich wie ein dummes Kind!

G: Du hast anscheinend auch ein hartes Leben. Sogar härter als ich. Wir haben zum Glück eine große Wohnung, aber meine Eltern arbeiten nicht. Sie wollen mich immer überreden, dass ich nach der Arbeit noch etwas trinken gehe, um dort vielleicht ein nettes Mädchen kennenzulernen. Ihnen scheint aber nicht klar zu sein, dass ich auch ohne eine Frau glücklich bin. Und überhaupt, wenn ich weg wäre, wer soll denn dann das Geld verdienen? Zwei Wohnungen kann ich bei Gott nicht finanzieren.

W: Ist ja auch alles so kompliziert bei dir. Sei aber froh, dass du keine Frau hast. Ich meine, ich liebe Marie aber, ich habe manchmal die Sorge, dass sie mich betrügen würde, wenn sie die Möglichkeit dazu bekäme.

G: Das glaube ich nicht. Ihr habt ein uneheliches Kind. Sie ist auf dich angewiesen. Oh nein, ich komme noch zu spät zu meinem Zug. Auf Wiedersehen Woyzeck.

W: Wenn sie es jemals doch täte, ich weiß nicht, ob ich das ertragen würde…